Aus meiner Feder

Was ist echte Wertschätzung bei der Arbeit

Ich blogge einmal wöchentlich für das Netzwerk “intrinsify.me”. Dabei darf ich wunderbarerweise auch ordentlich polarisieren. Wie bei diesem hier.


Den Originalbeitrag finden Sie hier.


 

 

Den ungeliebten Cousin trotzdem zur Hochzeit eingeladen? Sicher, den kann man doch nicht übergehen, er gehört schließlich zur Familie.

Der Nachbarin im Treppenhaus halb-freundlich zugenickt – und ihr wieder nicht gesagt, wie sehr es nervt, wenn sie morgens um 6 Uhr ihr Bakhti-Yoga mit beseeltem Mantrasingen startet? Bloß keinen schiefen Haussegen bitte.

Immer schön freundlich. Das lehrt man uns von Kindesbeinen an. Wenn der Steppke das grüne Förmchen will, dann muss er halt lieb zu dem anderen sein. „Dann gibt er es dir sicher gern mal“, ist die Mutter scheinbar überzeugt.

Blöd, wenn er es dann doch nicht macht.

 

„Streitet euch doch nicht.“

 

Irgendwie ist es ein ungeschriebenes Gesetz, das wir uns als Gesellschaft auferlegt haben: Lieb sein. Lieber den anderen dazu bringen, dass er es selbst will, was einem so vorschwebt als offen klar zu machen, dass man das grüne Förmchen schlicht haben will.

Klare Ansagen sind Tabu. Jeder sieht zu, dass er gewieft zu seinem Recht kommt. Tabus halten die Gruppe zusammen. Wer mitspielt, kann sich sicher sein, dass die Gruppe ihn beschützt. Wer nicht, wird in den dunklen Wald gejagt.

Und so wird der Konflikt mit dem Cousin oder mit der Nachbarin unter den Teppich gekehrt. Des lieben Friedens willen. Und weil es in der Gemeinschaft eben kuscheliger ist als allein im Wald.

Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps? Mitnichten. In der Firma wird das „Lieb-Sein“ noch professionalisiert.

 

Im Job gibt’s Kommunikationstrainings. Für das grüne Förmchen.

 

Die Sandkisten-Regel “Sei lieb zu dem anderen, dann gibt er dir das Förmchen schon“  heißt im Business: “Kollegen wertschätzen und Mitarbeiter mitnehmen.” Das sind die Grundpfeiler des Kommunikationshandbuchs für Unternehmen.

Und das ist auch der Stoff, aus dem Seminar-Träume gemacht sind. Ausgefeilte Techniken zur Gesprächsführung werden hier an den Mann und die Frau gebracht. Führungskräfte lernen, wie man Konflikte überwindet und Feedback gibt.

Der gemeinsame Nenner bei all den Trainings: Wie geht man besonders wertschätzend miteinander um? Doch gemeint ist vielmehr: Wie geht man besonders nett miteinander um? Und Nett ist die kleine Schwester von…

 

Einwickeln geht prima. Bei Kohlrouladen.

 

Ja, und warum das alles? Warum geben wir uns so viel Mühe, den Umgang miteinander künstlich aufzuladen?

Die Überzeugung ist, man könne durch eine bestimmte Technik bzw. Taktik ein gewünschtes Verhalten herbeiführen. Man könnte sich das grüne Förmchen irgendwie „herbeisäuseln“. Und letztlich ist es doch prima, wenn man es versteht, die Mitarbeiter wie von selbst in die gewünschte Richtung zu lenken.

Dass das dennoch blanke Manipulation allererster Güte ist, fällt dabei kaum auf.

Stets und ständig versuchen Führungskräfte, ihren Mitarbeitern etwas „zu verkaufen“ als wären sie begriffsstutzig. Als merkten sie nicht, was Sache ist.

Das Problem: Der Bonus wird dieses Jahr leider geringer ausfallen. Der Kniff: Die Mitarbeiter dahin kriegen, dass sie selbst auf die Idee kommen, ihren Bonus zu reduzieren. Genial. Und jetzt werden sie ins Boot geholt, die Mitarbeiter.

Jetzt startet die Kommunikationsmaschinerie. „Es sieht nicht gut aus, liebe Leute. Sicher, wir könnten den Bonus wie gewohnt auszahlen. Aber dann müssen wir uns womöglich  von ein paar lieb gewonnen Kollegen trennen. Und das wollen wir natürlich alle vermeiden. Geht mal in Euch!“

 

Ich will nicht „ins Boot“ geholt werden!

 

Aber die Mitarbeiter sind nicht begriffsstutzig. Sie durchschauen – natürlich – das Spiel. Und sie fühlen sich – zu Recht – verarscht.

Sie umgehen den ganzen „Beteiligungsbrei“ und reden Klartext. Untereinander. In der Teeküche. In der Raucherecke. In der Umkleide. Und Gesprächsstoff gibts jede Menge.

“Alles tut so, als wären wir in den Strategiefindungsprozess eingebunden. Was für ein Quatsch. Wir Mitarbeiter dürfen bei der neuen Unternehmensstrategie eben nicht mitreden. Basta.“ Oder: „Unser Produktionsleiter weiß nicht wirklich, wovon er redet. Aber, pssst, das darf man natürlich nicht aussprechen. Chef ist Chef.“ Und so umgehen alle in stillem Einverständnis den unfähigen Produktionsleiter.

Überall lauern implizite Vereinbarungen, die man nicht ausspricht. Und so werden Reden überhört, Ansagen umgangen, unfähige Chefs ausgetrickst.

Was für ein Frust. Für alle. Und was für eine Verschwendung.

 

Echte Wertschätzung ist nicht, wenn man nett ist, sondern wenn man sagt, was Sache ist.

 

Dabei könnte es so einfach sein. Etwas klar machen hat nichts Bösartiges. Im Gegenteil. Denn dann sagt man implizit: „Du bist mir so wichtig, dass ich den unangenehmen Weg der Wahrheit gehe“.

Wir kennen das aus unseren Freundschaften. Die sind auch nur richtig gut, wenn das Taktieren außen vor bleibt. Echte Freunde können sich auch mal sagen, was daneben ist. Dazu braucht es keine ausgefeilten Techniken. Dazu braucht es Mut und Größe. Von beiden Seiten: Von dem, der die Wahrheit ausspricht und von dem, der sie einsteckt.

Wer meint, man müsste Techniken und Strategien lernen, um in Konflikten besser kommunizieren zu können, verfehlt den wesentlichen Punkt: Wer nichts zu verstecken hat, kann einfach geraderaus sagen, was los ist. Der hat es überhaupt nicht nötig, irgendwelche Klippen zu umschiffen.

Damit ist übrigens nicht gemeint, dass wir jetzt unsere gute Kinderstube vergessen und jeden nach Belieben vor den Kopf stoßen!

Das nicht. Aber wenn das nächste Mal nach „Verkaufsstrategien“ gesucht wird oder ein Konflikt gelöst werden muss, ist der wirksamste Weg: Einfach die vielen Dinge aussprechen, von denen man meint, man dürfe nicht drüber reden. Am Ende ist meist jeder froh, dass es mal einer sagt.

Übrigens: Demjenigen, der Sachen klar ausspricht, wird in der Regel auch sozial legitimierte Autorität bzw. Führung zugesprochen.

Also: Hört auf mit den ganzen Kommunikationstrainings und lehrt eure Führungskräfte lieber, die Sachen klar auf den Tisch zu bringen! Für mehr happy working people!

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