Aus meiner Feder

Schluss mit dem Burnout: Wir wollen unsere Mammutfalle zurück

Für das Netzwerk intrinsify.me führte ich ein Interview mit der Burnout-Expertin, Dr. Mirriam Prieß (Hamburg). Manche Gespräche machen etwas mit einem…dieses war so eins. Ein Interview in drei Teilen. Hier: Teil 3.


Den Original-Blogbeitrag finden Sie hier.


Wir haben in den letzten beiden Blogbeiträgen (Teil 1 und Teil 2) dem Burnout-Gespenst den Schleier vom Gesicht gerissen. Wir wissen jetzt, woher es kommt und wie wir uns selbst davor bewahren können. Wir wissen jetzt, dass wir in unserem Leben wahrhaft zu Hause sein müssen, um gut zu leben – und zwar in sämtlichen Lebensbereichen. Heute wollen wir uns einmal ansehen, was das genau für einen der wichtigsten Lebensbereiche bedeutet, dem Bereich „Arbeit und Beruf“. Wie muss die Arbeitswelt aussehen, damit sie menschlich ist und eben nicht zu einem Ausbrennen führt? Wie muss die Arbeitswelt aussehen, damit wir begeistert die für den Stamm so wichtige Mammutfalle bauen? Wir sprechen darüber mit der Burnout-Expertin, Dr. Mirriam Prieß, die unter anderem Führungskräfte und Unternehmen zum Thema Burnout berät.

 

Alexandra Vollmer: Frau Dr. Prieß, warum ist es so wichtig, gerade in dem Lebensbereich „Arbeit und Beruf“ gesund zu leben?

Dr. Mirriam Prieß: Weil er bei den meisten von uns einen zentralen Raum im Leben einnimmt. Die meiste Zeit unseres Tages verbringen wir mit unserem Beruf und an unserem Arbeitsplatz – wenn wir uns nicht für die Betreuung der eigenen Kinder und die Familie entschieden haben. Und so verwundert es nicht, dass, wenn Menschen beginnen, sich in ihrem Leben zu erschöpfen, dies häufig seinen Ursprung im beruflichen Bereich hat. Daher ist es so wichtig, hier besonders achtsam zu sein.

 

Alexandra Vollmer: Umso tragischer ist es dann, dass gerade in diesem Bereich so viel schief läuft. „Nee, da kann ich nicht, da muss ich arbeiten“ ist um Welten geläufiger als: „Nee, da kann ich nicht, da will ich arbeiten“. „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“ – ist das ein Naturgesetz oder kann man auch in seinem Beruf auf seine Kosten kommen?

Dr. Mirriam Prieß: Im Beruf auf seine Kosten kommen – Sie glauben gar nicht, wie viele Menschen das ausschließen. Umso mehr, wenn sie schon einige Berufsjahre hinter sich haben. Dann wird meist resigniert funktioniert und die Tage bis zum Wochenende oder bis zum nächsten Urlaub gezählt. Doch wer mehr von seinem Leben will, als sich von einem Urlaub zum nächsten hangeln, wer in seinem Beruf leben und nicht nur funktionieren will, der muss dafür sorgen, dass er sich auch in diesem Bereich „zu Hause“ fühlt.

 

Alexandra Vollmer: Also auch hier ab ans Reißbrett, richtig? Was braucht es, damit ich mich in meinem Arbeitsleben zu Hause fühle?

Dr. Mirriam Prieß: Hier gilt letztlich nichts anderes als bei allen anderen Lebensbereichen: Wir brauchen Dialogfähigkeit und eine Besinnung auf das Wesentliche. Haben Sie sich einmal gefragt, worin einer der größten Reibungsverluste, die größte Frustration im beruflichen Bereich besteht?

 

Alexandra Vollmer: Ach, da fällt mir eine Menge ein: Ein cholerischer Chef, ein egozentrischer Kollege, jede Menge Vorschriften, unbedingte Anwesenheitspflicht, die eine Vereinbarung mit den anderen Lebensbereichen so unendlich schwer macht…. Noch mehr?

Dr. Mirriam Prieß: (lacht) Das reicht fürs Erste, denke ich. Da sind schon eine Menge Störenfriede beieinander. Was die meisten dieser Frustrationsquellen gemein haben, ist, dass sie auf der Beziehungsebene stattfinden. Machen wir uns bewusst, dass unser Arbeitsplatz – obwohl kein privater Bereich – so doch ein Bereich ist, der von Beziehung geprägt ist. Unabhängig von dem, was wir tun und wo wir es tun – wir tun es immer mit anderen und für andere. Beziehung ist hier die tragende Grundlage für gutes Gelingen! Und damit sind wir wieder bei der so wichtigen Fähigkeit, einen Dialog auf Augenhöhe zu führen. Nur, wer das kann – und zwar nicht nur über das ‚Ja‘, sondern auch über das ‚Nein‘ – der kann in seinem Beruf gesund und zufrieden sein. Den meisten ist das zwar bewusst, aber die wenigsten handeln danach. Im Gegenteil. Wenn Menschen sich beruflich erschöpfen, so tun sie dies in den allermeisten Fällen aufgrund eines fehlenden Dialogs und den daraus erwachsenden Konsequenzen.

 

Alexandra Vollmer: Was meinen Sie, wenn Sie von den damit verbundenen Konsequenzen sprechen?

Dr. Mirriam Prieß: Den wenigsten gelingt es, Störungen rechtzeitig anzusprechen. Sondern sie warten so lange, bis der daraus entstandene Konflikt eskaliert. Viele von uns sind nicht nur im Privaten nicht dazu in der Lage, an der richtigen Stelle ‚Ja‘ und an der richtigen Stelle ‚Nein‘ zu sagen, sondern auch in ihrem Beruf. Und dies rächt sich früher oder später – und zwar an allen Beteiligten. Jemand, der nämlich zu lange ‚Ja‘ gesagt hat, wo er eigentlich ‚Nein‘ meinte, wird irgendwann nur noch ‚Nein‘ sagen – auch an Stellen, wo eigentlich ein ‚Ja‘ notwendig wäre.

 

Alexandra Vollmer: Sie fordern den Dialog auf Augenhöhe. Aber ist es denn überhaupt möglich, sich in Hierarchien auf Augenhöhe zu begegnen? 

Dr. Mirriam Prieß: Es ist überall möglich, sich auf Augenhöhe zu begegnen – dies ist unabhängig von Geschlecht, Alter und Position. Augenhöhe heißt nichts anderes, als offen für das Gegenüber zu sein und ihm in dem zu begegnen, der er ist – und sich ganz bewusst für ein authentisches Verhalten zu entscheiden. Die Fehlannahme, dass in Hierarchien Augenhöhe nicht möglich ist, kommt häufig daher, dass wir unbewusst unsere ersten Autoritätserfahrungen auf heutige Machtpositionen projizieren und in kindliche Verhaltensmuster fallen, in denen wir uns selbst als hilflos und den anderen als mächtig erleben.

 

Alexandra Vollmer: Aber was mache ich, wenn ich einen Vorgesetzten habe, der nicht dialogfähig ist – bin ich dann als Mitarbeiter nicht verloren?

Dr. Mirriam Prieß: Hier sprechen Sie eine Situation an, die in vielen Unternehmen an der Tagesordnung ist – Führungskräfte, die nicht dazu in der Lage sind, ihren Mitarbeitern im Dialog zu begegnen. Das macht die Situation für den Mitarbeiter natürlich wesentlich schwerer, aber verloren ist er erst dann, wenn auch er aus dem Dialog geht. Viele fügen sich dann der Nichtkommunikation und den damit verbundenen Bedingungen und verlieren darüber auch noch den Dialog zu sich selbst. Wenn Sie gesund bleiben wollen, dann gilt es den Dialog zu halten.

 

Alexandra Vollmer: Wenn ich mit meinem Dialog nun nicht landen kann – was hab ich denn dann für eine Wahl? Meinen Chef oder meine Kollegen kann ich doch nicht ändern.

Dr. Mirriam Prieß: Richtig. Ihr Umfeld können Sie nur bedingt ändern. Darüber hatten wir beim letzten Mal ja schon gesprochen. Aber etwas nicht ändern können, muss nicht heißen, zu resignieren und sich frustriert zu fügen. Viele, die sich erschöpfen, erschöpfen sich aufgrund eines ‚Entweder-Oder-Prinzip‘. Sie sind nicht dazu in der Lage, auch nach einem ‚Sowohl-Als-Auch‘ zu handeln. Die Fähigkeit zu einem gesunden Kompromiss fehlt. Wenn Sie also etwas nicht ändern können, fragen Sie sich, ob dies wirklich wesentlich notwendig für Sie ist oder ob es ‚nice to have‘ wäre. Es gilt immer, auch Abstriche zu machen – in Anerkennung der Realitäten, in denen Sie sich befinden. Wenn Sie jedoch merken, dass es sich um wesentliche Notwendigkeiten handelt, die nicht erfüllt werden, und es keinen Weg im bestehenden System für Sie gibt, dann ziehen Sie die Konsequenz. Menschen, die sich erschöpfen, erschöpfen sich an 2 Dingen: Ihren Willen mit wesentlichen Bedürfnissen zu verwechseln und sich in unnötigen Kämpfen zu erschöpfen und der Unfähigkeit, ein Umfeld zu verlassen, was ihnen wesentlich schadet.

 

Alexandra Vollmer: Zwei Sachen haben sich mir eingebrannt – im Dialog bleiben und für das Wesentliche sorgen. Die Dialogfähigkeit haben wir. Bleibt noch, für das Wesentliche zu sorgen. Über unser persönliches Wesen haben wir ja schon gesprochen. Wie muss ich mir das bei meinem Umfeld, dem Beruf, vorstellen?

Dr. Mirriam Prieß: Wie für alle anderen Lebensbereiche, so gilt auch für diesen Bereich: Sie können nur leben, wenn Sie das, was Sie tun, um der Sache und um Ihrer selbst willen tun. Je mehr der Beruf für Sie zur Funktion wird, umso mehr werden Sie früher oder später selbst zu einer. Wer sich also nicht nur über ein volles Konto freuen, sondern auch jenseits des Materiellen auf seine Kosten kommen will, der muss das Wesen des Berufes anerkennen und herausfinden, was das für ihn persönlich bedeutet.

 

So, wie das Wesen einer Partnerschaft Liebe ist, so ist das Wesen des Berufes die Berufung.

 

Alexandra Vollmer: ‚Aber das ist doch nur ein Ideal‘, höre ich immer wieder. ‚Es kann sich doch nicht jeder zu seinem Beruf berufen fühlen.‘  

Dr. Mirriam Prieß: Ja, warum denn eigentlich nicht? Warum sollte das ein Privileg für einige Wenige sein? Hier geht es doch letztlich um etwas ganz Einfaches – um ein ‚Sich-Hingezogen-Fühlen‘, etwas tun zu wollen. Das hat nichts Abgehobenes, sondern etwas zutiefst Menschliches, meinen Sie nicht? Wozu Sie sich berufen wollen, was Sie tun und gestalten wollen, das entspringt Ihrem eigenen, ganz persönlichen Wesen. Schauen Sie also, wozu Sie sich hingezogen fühlen und inwiefern das Wesen Ihres Berufes ein „Deckelchen“ liefert oder liefern könnte. Was ist das Wesen Ihres Berufes – und zwar für Sie ganz persönlich? Die Antwort darauf kann dann nicht einfach eine Tätigkeitsbeschreibung sein, wie sie mir beispielsweise einmal ein Berater vermittelt hat: ‚Ehrlich gesagt, mache ich meine Arbeit und wickle meine Projekte ab.‘ So etwas kann nie wesentlich sein. Aus einer schlichten Tätigkeitbeschreibung ohne Sinn können Sie kein erfülltes Berufsleben schöpfen. Je länger Sie dies tun, umso mehr geraten Sie in ein „Funktionieren“, worüber Sie sich dann irgendwann erschöpfen. Sie brauchen einen eigenen Sinn, in dem, was Sie tun und der Sinn liegt immer in dem Wesentlichen begründet.

 

Unternehmen brauchen Sinn und dialogfähige Führungskräfte mit einer gesunden Beziehung zu sich selbst.

 

Alexandra Vollmer: Möglicherweise habe ich mich auf das Wesentliche meines Berufes besonnen. Ich weiß dann wieder, wofür ich morgens aufstehe. Und dann nutzt sich mein ganzes schönes Sinngebäude bereits in den ersten 30 Minuten meines Arbeitstages wieder ab – wird zugemüllt unter erdrückenden Vorschriften, frustrierenden Verantwortungsbeschränkungen, gekünstelten Leitbildern und willkürlichen Chefentscheidungen. Wie soll ich damit umgehen?

Dr. Mirriam Prieß: Ja, zur Zufriedenheit gehören immer zwei. Ein erfülltes Leben im Beruf kann nur gelingen, wenn dafür auch die notwendigen Rahmenbedingungen herrschen, sprich, Sie müssen sich nicht nur mit dem, „was“ Sie tun, sondern auch „wo“ Sie es tun, zu Hause fühlen. Und sich zu Hause fühlen kann nur, wer in einer menschlich wesentlichen Atmosphäre arbeitet, in der er wesentlich handeln kann – und behandelt wird. Die Verantwortlichen in Unternehmen müssen also für wesentliche Bedingungen sorgen, damit die Menschen, die in ihnen arbeiten, gesund bleiben.

 

Alexandra Vollmer: Zum Thema Gesundheit ziehen ja viele Unternehmen Karten wie „gesundes Essen“, „ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze“ oder auch die „mobile Massage für zwischendurch“. Alles Schnick Schnack?

Dr. Mirriam Prieß: Letztlich ja. Auch wenn das alles zu einem gewissen Wohlbefinden beiträgt, ist es doch nicht das Wesentliche. Genau wie jeder Einzelne für seine „innere Heimat“ sorgen muss, so muss das Unternehmen eine entsprechende „äußere Heimat“ schaffen. Und das ist weit mehr als diese netten Begleiterscheinungen, die Sie eben aufgezählt haben. Nein, auch für ein wahrhaft gesundes Unternehmen braucht es wieder unsere alten Bekannten Dialogfähigkeit und Wesentlichkeit. So muss auch das Unternehmen über eine wirkliche Identität verfügen. Und damit verhält es sich genau so wie bei uns selbst: Eine wahre Unternehmensidentität kann nur aus einem Dialog zwischen dem eigenen Wesen und dem Wesen des Umfeldes entstehen, einem Dialog mit den im Unternehmen arbeitenden Menschen also. Solange Mitarbeiter als Funktionseinheiten gesehen und delegiert werden, solange werden sich die Unternehmen und Mitarbeiter weiter erschöpfen. Für all das braucht es dialogfähige Führungskräfte – gesunde Menschen mit intakter Beziehung zu sich selbst. Doch oft haben wir es mit Führungskräften zu tun, die hoch intelligent, aber emotional angeschlagen, die konfliktscheu und eben nicht dialogfähig sind. Auf Grundlage der fehlenden Beziehung zu sich selbst, leben viele das narzisstische Prinzip der Superlative und verbrennen nicht nur sich selbst daran, sondern auch die Mitarbeiter und das Unternehmen.

 

Alexandra Vollmer: Jetzt schwirrt sicher so einigen Lesern der Kopf. Haben Sie für uns noch einmal eine kleine finale Merkhilfe?

Dr. Mirriam Prieß:

  1. Finde heraus, wozu du dich hingezogen fühlst. Finde deine Berufung.
  2. Erkenne das Wesentliche in deinem Beruf. Was macht das Wesen für dich ganz persönlich aus? Verliere das nie aus den Augen!
  3. Bleibe in deinem Beruf stets in einem Dialog auf Augenhöhe – sowohl mit Kollegen als auch mit Vorgesetzten.
    Erkenne die Realität im System und entscheide, ob und wie du dort einen guten Weg nehmen kannst. Andernfalls verlasse das System.
  4. Suche Dir gesunde Unternehmen:
  • Unternehmen, die Dir beantworten können, was ihre Identität ist, die Dir sagen können wofür sie stehen und was die „Seele“ des Unternehmens ist.
  • Unternehmen, die über dialogfähige Führungskräfte verfügen und eine Unternehmenskultur des Dialoges nicht nur in Leitfäden beschreiben, sondern tag täglich leben.

Alexandra Vollmer: Manchmal führen Gespräche dazu, dass man die Welt ein klein wenig anders wahrnimmt. Dieses Gespräch ist so eines. Ich danke Ihnen sehr, Frau Dr. Prieß, für diese hoch spannende gedankliche Reise!

 

Schaut genau hin: Glaubt Ihr (noch) an das, was Ihr tut? Baut Ihr wirklich an der Mammutfalle oder arbeitet Ihr Euch an irgendwelchen willkürlichen Zielen ab? Führt Ihr einen Dialog auf Augenhöhe oder habt Ihr Euch ergeben?

Lasst Euch von diesen Fragen nicht abbringen! Wir wollen und wünschen Euch, dass Ihr auch und gerade im Beruf voll auf Eure Kosten kommt. Für mehr happy working people!

 

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