Aus meiner Feder

„Ich war zuerst drauf“

Für diese kleine Reportage für das Kundenmagazin der “dm Drogeriemärkte” war ich noch einmal zu Gast im “alten” Kindergarten meiner beiden “Großen”.


Den Originaltext im dm-Magazin “glückskind” finden Sie hier.


 

Die Sonne lugt durch die Wolken – die Vorboten des Frühlings sind nicht zu übersehen. Eine Tür öffnet sich und die lauschige Vormittagsstimmung wird durch lautes, fröhliches Gebrüll unterbrochen. 65 Kinder – alle zwischen drei und fünf Jahre – stürmen in den Garten. Die Draußen-Saison in der Leibniz Kindertagesstätte, Hannover, ist eröffnet.

Eine Gruppe Kinder sucht sich ein feines Plätzchen im Sand, andere klettern auf die Ritterburg, ein paar Jungs schnappen sich einen Ball und fangen an zu kicken. Die sechs Erzieherinnen und Erzieher des Kindergartens verteilen sich im Garten.

Die Freude währt nur kurz. Denn schon bald dringt jähes Geschrei durch die Morgenluft: „Ich war zuerst drauf!“

Die Erzieherin, die am nächsten dran ist, lenkt ihren Blick auf die beiden Streithähne. Sie schaut. Gefühlte lange Sekunden vergehen. Das Ziehen und Zerren bleibt. Auch die Erzieherin bleibt, wo sie ist. Warum tut sie nichts?

Jetzt, endlich, geht sie auf die Kinder zu. Sie hockt sich hin. Beide Kinder sprudeln drauf los. Die Erzieherin unterbricht und bittet zuerst das Kind auf dem Fahrzeug zu erzählen. Jetzt scheint ein recht gepflegtes Gespräch in Gang zu kommen – das Gebrüll verschwindet und auch das Ziehen hört auf. Die Erzieherin bleibt hocken und hört zu. Erst dem einen Kind, dann dem anderen.

Jetzt redet die Erzieherin. Dann geht alles ganz schnell. Das Kind, das mit aller Kraft am Lenkrad gezogen hat, löst die Hände vom Fahrzeug und stellt sich an die Seite. Seine Gesichtszüge haben sich entspannt, auch wenn er noch nicht wirklich strahlt. Er scheint verstanden und sich mit der Situation ausgesöhnt zu haben. Wie hat sie das denn hinbekommen?

„Ich warte immer erst ab und beobachte – wir nennen das ‚aus respektvoller Distanz‘. Möglicherweise schaffen es die Kinder ja aus eigener Kraft, den Streit zu schlichten. Das wäre ja das allerbeste. Funktioniert das nicht, gehe ich hin und frage, was los ist. So können beide ihre Geschichte noch einmal erzählen. In dem Streit gerade eben hat der Junge, der das Fahrzeug gestoppt hat, eigentlich schon beim Erzählen seiner Geschichte gemerkt, dass er auf dem falschen Weg war. Da musste ich gar nicht mehr viel vermitteln. Wenn die Situation allerdings unklar bleibt – wenn sich zum Beispiel 2 Kinder auf das Fahrzeug drängeln, ich die Details nicht beobachten konnte und beide Kinder auf ihrem Standpunkt bleiben, bekommt keiner das Fahrzeug“, erklärt Bettina Möller-Flörsch, Leiterin der Leibniz-Kindertagesstätte, Hannover, den pädagogischen Ansatz der Kita.

Im Garten bleibt es jetzt weitgehend friedlich. Nach knapp 1,5 Stunden holt ein Gong alle Kinder ins Haus. Mittagessen. Die Teller werden gefüllt und für kurze Zeit kehrt Ruhe ein ins lebhafte Kinderhaus. Auch die beiden Streithähne sitzen friedlich nebeneinander und schieben sich genussvoll die Fischstäbchen in den Mund.

„Kinderkram“ – ein paar Erzieher-Tipps für Ihre klassischen Kinder-Konflikte Zuhause:

2 Kinder streiten sich um ein Spielzeug

  1. Erst einmal die Situation beobachten.
  2. Wenn die beiden Streithähne es nicht selbst klären können: Hingehen, Gespräch suchen – und sich dabei immer auf Augenhöhe mit dem Kind begeben.
  3. Erklären und Vermitteln, z.B.: „Er hatte es zuerst, Du wartest etwas und bekommst es hinterher.“
  4. Bei einer Drängelei: „Du warst doch schon die letzten Tage immer auf dem Roller, jetzt darf doch auch mal ein anderes Kind.“ Oder: „Wenn Ihr Euch nicht einigen könnt, kriegt jetzt ein anderes Kind den Roller.“ (bzw. „…behalte ich den Roller…“)

Kind schmeißt wiederholt mit Sand

  1. Regel erklären
  2. Konsequenz zeigen und bei Wiederholung das Kind aus der Situation holen: Ein paar Minuten auf die Bank.

Kind macht das Bild eines anderen Kindes kaputt

  1. Regel erklären.
  2. Klare Einstellung zeigen: „So etwas Gemeines tut man nicht.“
  3. Den beiden Kindern eine Brücke bauen, damit sie sich wieder annähern können: Malen Sie gemeinsam ein neues Bild. Vielleicht steuern Sie dazu noch etwas Besonderes bei, z.B. Glitzer oder ein paar bunte Federn. Wenn die beiden sich wieder gefunden haben, ziehen Sie sich aus der Situation zurück.

 

Bettina Möller-Flörsch, Leiterin der Leibniz Kindertagestätte, Hannover

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