Aus meiner Feder

Beim Burnout hilft Ausruhen nicht

Für das Netzwerk intrinsify.me führte ich ein Interview mit der Burnout-Expertin, Dr. Mirriam Prieß (Hamburg). Manche Gespräche machen etwas mit einem…dieses war so eins. Ein Interview in drei Teilen. Hier: Teil 2.


Den Original-Blogbeitrag finden Sie hier.


 

Im letzten Blog haben wir das Burnout-Syndrom einmal genauer unter die Lupe genommen. Wir haben gelernt, dass diese Volkskrankheit kein Ritterschlag für aufopferungsvolles Arbeiten ist, sondern dass hier eine ganz wichtige Beziehung schwerwiegend gestört ist – die Beziehung zu uns selbst. Mit dieser inneren Leere ist der Grundstein für ein ungesundes Leben gelegt. Ein Leben in einer gefährlichen Schieflage, in der wir uns in Superlativen erschöpfen – bis der Motor still steht und nichts mehr geht. Heute wollen wir gemeinsam mit Burnout-Expertin, Dr. Mirriam Prieß, nach Lösungen suchen: Wie können wir im akuten Fall geheilt werden und wie finden wir zu einem wahrhaft gesunden Leben?

 

Alexandra Vollmer: Frau Dr. Prieß, Sie hatten in unserem letzten Gespräch erwähnt, dass die betroffenen Menschen in der Regel erst dann zu Ihnen kommen, wenn der Stecker bereits gezogen ist, wenn also nichts mehr geht. Worin sehen Sie Heilungschancen in einem solchen akuten Fall? Einfach ausruhen und dann weitermachen wie bisher, ist es ja sicher nicht.

Dr. Mirriam Prieß: Nein, einfach eine Runde Durchatmen, um dann genau so weiter zu machen, hilft da nicht. Burnout kann man nicht durch einfaches „Ausruhen“ heilen. Dies ist übrigens auch ein Hauptgrund, warum viele Burnout Behandlungen „scheitern“ bzw. Betroffene, die ausgefallen sind, kurz nach ihrer Rückkehr erneut ausfallen. Solange die Ursache nicht behoben wird, solange werden sie sich immer wieder und immer weiter erschöpfen. Wer sein Burnout wirklich heilen will, der hat sich auf die Suche nach den konkreten Gründen zu machen, die ihn haben erschöpfen lassen. Und ein zentraler Grund ist der Verlust der Beziehung zu sich selbst – und damit verbunden das verlorene eigene Maß, das fehlende Wissen um die eigenen Bedürfnisse und Notwendigkeiten. Was der Betroffene dann braucht, ist eben nicht einfach Erholung, sondern vielmehr eine Suche nach sich selbst und nach einem Leben, was ihm in seinen wesentlichen Bedürfnissen entspricht.

 

Alexandra Vollmer: Eine gründliche Absage an Wellness und Psychopharmaka also?

Dr. Mirriam Prieß: Viele Anwendungen und Medikamente fokussieren meist ausschließlich auf die Krankheitssymptome anstatt auf die Ursache und führen dann meist zu einer Oberflächenberuhigung – unter der es dann meist am Ende auch noch schlimmer wird. Dieser Umgang mit unserem Körper ist recht typisch für unsere Gesellschaft – es wird auf Symptome reagiert, anstatt auf die Ursache. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich im Grunde an der Krankheit orientiert, d.h wir definieren Gesundheit darüber, dass wir keine Krankheitssymptome haben. Doch Gesundheit ist weitaus mehr als die Abwesenheit von Krankheit – und solange wir dies nicht erkennen, solange werden wir nicht wirklich gesund werden bzw. bleiben können. Unser Gesundheitssystem – und da schließe ich den Coaching- und Therapiebereich mit ein – krankt letztlich genau daran. Auch hier kann jede Störung analysiert und diagnostiziert werden. Aber was Gesundheit genau bedeutet – vor allem psychische Gesundheit – das wird nicht vermittelt.

Erst wenn wir wissen, was „gesund“ heißt, können wir raus dem System der Störung.

Und so steigt die Erkrankungsrate immer weiter – und das trotz einer gigantischen Therapiewelt. Solange wir aber in dem System der Störung agieren und therapieren, können wir das System eben nicht verlassen! Mein Behandlungsansatz ist also der, der Gesundheit. Aus der Erfahrung und dem Wissen heraus, dass jeder Mensch das Wissen seiner Gesundheit in sich trägt – unterstütze ich die Betroffenen darin, dieses Wissen in sich zu finden, um auf dieser Grundlage zu einer gesunden und authentischen Lebensgestaltung zu finden. Ich bin also nichts anderes als ein Begleiter, der durch bestimmte Impulse dem Klienten verhilft, den Blick auf sich zu richten und sich selbst sehen zu lernen. „Heilen“ tut der Betroffene sich immer selbst.

 

Alexandra Vollmer: Das Wissen seiner Gesundheit in sich finden… das hat etwas leicht Esoterisches. Helfen Sie mir, was heißt das konkret? Wie gehen Sie vor?

Dr. Mirriam Prieß: Ja, das kann ich mir vorstellen, dass dabei schnell die Schublade mit den Räucherstäbchen aufgemacht wird. (lacht) Aber letztlich ist daran nichts Nebulöses, sondern wir haben es schlicht mit Handwerk zu tun. Es gibt 6 zentrale Lebensbereiche, die die Grundlage für ein gesundes, leistungsstarkes und vor allem erfülltes Leben bilden – und der erste Schritt in Richtung Leben ist eine Bestandsaufnahme in diesen Bereichen:

  1. Beruf
  2. Partnerschaft/Familie,
  3. Gesundheit,
  4. Soziale Kontakte,
  5. Individualität/Hobbys,
  6. Glaube/Spiritualität.

Daraus generieren sich ganz zentrale Fragen: Stehe ich dort, wo ich stehen will? Befinde ich mich in einem inneren UND äußeren Dialog? Entspricht jeder Lebensbereich meinem Wesen? Bin ICH das? Oder lebe ich nur eine Vorstellung meiner selbst? Diese Fragen gilt es sich zu stellen – und ehrlich zu beantworten. Dabei stellt sich zumeist heraus, dass die Betroffenen von den 6 Lebensbereichen entweder nur sehr wenige ausgebildet haben oder – wenn sie ausgebildet waren – so überwog der äußere Schein oder aber die Bereiche waren durch Konflikte belastet.

 

Alexandra Vollmer: Sie sprechen von einem inneren und äußeren Dialog. Das scheint ein ganz zentraler Punkt zu sein, da würde ich gern einhaken. Selbstgespräche sind hier doch sicher nicht gemeint, oder?
Dr. Mirriam Prieß: (lacht) Nein. Aber das werde ich auch in meinen Seminaren häufig gefragt. Ich hole mal ein bisschen aus. Jeder Mensch und jedes System besitzt ein Wesen. Auf der Grundlage dieses Wesens entsteht über den Dialog mit der Umwelt die eigene Identität. Diese ist wandel- und formbar, das Wesen an sich jedoch nicht. Für ein erfülltes Leben müssen wir beide Wesen erkennen – das eigene und das unseres Umfeldes. Und wir müssen erkennen, was veränderbar ist und was nicht. Denn wenn Sie etwas zu verändern versuchen, was nicht veränderbar ist, erschöpfen Sie sich im Kampf gegen die berühmten Windmühlen.

Erkennen Sie das, was für Sie wesentlich ist und sorgen Sie dafür. Schauen Sie, was darüber hinaus noch möglich ist. Und akzeptieren Sie das Unmögliche.

Es geht immer darum, den Blick für sich und für das Umfeld zu wahren und gesunde Kompromisse einzugehen. Wenn man diesen inneren und äußeren Dialog nicht führen kann, erschöpft man sich im Entweder-Oder. Entweder Ich oder Du. Dann unterwirft man sich entweder unerträglichen Bedingungen oder man missversteht das Leben als eine egozentrische Veranstaltung, in der man allen seinen Willen aufzwingen will und die letztlich einsam macht.

 

Alexandra Vollmer: Das ist in der Tat etwas mehr als eine kleine Plauderei… Wenn ich nun festgestellt habe, dass mir dieser Dialog verloren gegangen ist, wenn also in meinem Leben – in einem oder mehreren Bereichen – gründlich was im Argen liegt, wie finde ich dann heraus, wie ich mich dort jeweils wieder zu Hause fühlen kann? Haben Sie hier einen grundsätzlichen Rat?
Dr. Mirriam Prieß: Leider kann ich Ihnen dafür kein Patentrezept geben – die Frage nach dem „Wie“ kann jeder nur für sich selbst beantworten, indem er sein eigenes ‚Wie‘ findet. Vielleicht lässt sich die Frage nach dem Wesentlichen mit folgendem Beispiel ein wenig verdeutlichen: Haben Sie schon einmal eine Sonnenblume in den Schatten gepflanzt? Diejenigen, die das getan haben, werden gesehen haben, sie blüht nicht – auch wenn sie sich möglicherweise extrem anstrengt. Nein, sie geht ein.

Vielen Betroffenen geht es genauso. Sie stehen als Sonnenblume im Schatten und wundern sich, warum sie nicht zu voller Blüte gelangen können. Diese Menschen sind in ihrem Leben eben nicht angekommen und haben das Gefühl, viel mehr zu funktionieren als tatsächlich zu leben. Ein Grund dafür ist, dass sie Bekanntes mit Heimat verwechseln. Sie folgen unbewusst ihren inneren Prägungen und bauen sich auf dieser Grundlage ein Zuhause – das aber kein echtes Zuhause ist. Sie muten sich äußere Bedingungen zu, fernab davon, was sie ihrem eigentlichen Wesen nach benötigen. Eine endgültige Antwort darauf, was die wesentlichen Bedingungen jeweils sind, kann am Ende aber immer nur von jedem Einzelnen beantwortet werden – nämlich seinem Wesen entsprechend.

Beginnen wir zu fühlen, was ist.

 

Alexandra Vollmer: Also gehe ich ans Reißbrett und fange an, mir mein Zuhause zu bauen?

Dr. Mirriam Prieß: Im gewissen Sinne ja. Wichtig dabei ist jedoch zu erkennen, dass dies nicht nur eine Aufgabe des Verstandes ist. Solange Sie nur denkend an die Frage nach der Identität herangehen, werden Sie keine echte Antwort erhalten. Es gibt so viele Menschen, die sich ihre Lebensbereiche zurechtgedacht haben und vor diesem Hintergrund nur leidend in ihnen funktionieren. Sie haben ihre Gefühle abgestellt. Dafür gibt es viele Ursachen. Eine davon ist die große Angst vor dem, was nicht sein darf, weil man nicht will, dass es ist. Viele unter uns blockieren emotional, weil sie Angst haben, heraus zu finden, was wirklich ist – weil sie die damit verbundenen Konsequenzen befürchten. Ein weiterer Grund ist, dass viele von uns sehr früh aufgehört haben zu fühlen und gelernt haben, sich nur auf den Verstand zu verlassen. Wenn wir uns aber wirklich aus unserer Erschöpfung befreien und zu unserer wahren Identität finden wollen, dann müssen wir wieder zu fühlen beginnen. Wir müssen den Mut aufbringen zu fühlen, was wir lange Zeit nicht fühlen wollten – in dem Wissen, dass, nur wer sich selbst fühlt, in seinem Leben auch ankommen wird.

 

Alexandra Vollmer: Ich gebe zu, dreimal täglich eine Kapsel zu den Mahlzeiten und alles wird gut, wäre mir lieber. Aber ein wahrhaftes Zuhause braucht verständlicherweise mehr als einen Gang zur Apotheke. Vielen Dank also, Frau Dr. Prieß, dass Sie für eine wahrhafte Gesundung kämpfen!

 

Klappe und Kameraschwenk zur Arbeitswelt. Im nächsten Blog geht es uns – getreu unserer Mission – um den wichtigen Lebensbereich „Arbeit und Beruf“ (inzwischen erschienen). Wie sollten wir persönlich und wie sollten Unternehmen hier für das rechte Maß sorgen?

 

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